Wann besteht ein Ansruch auf BAföG für den Besuch einer EU-ausländischen Hochschule?
Grundsätzlich wird ein Studium im Ausland nach dem BAföG nur gefördert, wenn:
– es einer Ausbildung in Deutschland förderlich ist oder
– es im Rahmen einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit stattfindet oder
– ein mindestens einjähriges Studium in Deutschland im Ausland fortgesetzt wird, sog. Orientierungsphase.
Nimmt ein Studierender sein Studium unmittelbar an einer ausländischen Universität auf, so ist demzufolge keine Förderung nach dem BAföG möglich.
Es gibt jedoch eine Ausnahmeregelung:
§ 5 BAföG besagt: „Auszubildenden wird Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie täglich von ihrem ständigen Wohnsitz im Inland aus eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte besuchen.“ Diese Regelung für Grenzpendler wurde bereits 1971 in das Gesetz aufgenommen. Sie sichert deutschen Studenten aus dem Einzugsbereich einer grenznahen Auslands-Universität die BAföG-Förderung für ihr dortiges Studium zu. In Frankreich, Österreich und in der deutschsprachigen Schweiz kann ein Deutscher somit ein BAföG-gefördertes Studium ohne vorherigen Besuch einer deutschen Hochschule beginnen, wenn er pendelt.
Im deutsch-französischen Grenzbereich unterrichten Schulen auf deutscher Seite einen Teil der Fächer auf Französisch und werben damit, dass mit dem Abitur ein Studienbeginn in Frankreich ohne weiteres möglich ist.
BAföG erhält der Student jedoch nur dann, wenn er Grenzpendler ist. Die direkte Aufnahme eines Studiums etwa in Paris ist, wie dargestellt, nicht möglich. In einer einjährigen Orientierungsphase an einer deutschen Hochschule sollen Studierende Erfahrungen im eigenen Sprach- und Kulturraum sammeln, um damit fundierte Studienentscheidungen treffen zu können. Erst im Anschluß hieran sollen sie zu einer ausländische Hochschule gehen können.
Die Bundesbildungsministerin hat erst kürzlich bekräftigt, dass die Abschaffung der Orientierungsphase derzeit nicht zur Debatte steht. Dadurch soll verhindert werden, dass „EU-rechtliche Gleichstellungsansprüche insbesondere der Kinder von Wanderarbeitnehmern zu nicht abschätzbaren Mehrausgaben führen“ – so die Ministerin.
Dies widerspricht allerdings dem Grundgedanken der Europäischen Union, die für die Mobilität der Studenten eintritt und eine großzügige Förderung des Studiums im Ausland fordert. Anderseits sehen sich Mitgliedstaaten, die eine solche Förderung schaffen wollen, wegen der EU-Regelungen über die Freizügigkeit und die Gleichbehandlung – mit finanzielle Folgen – daran gehindert. Beispiel: warum sollen deutsche Steuerzahler das Studium der Tochter eines in Deutschland beschäftigten Franzosen in Paris finanziert? Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Luxemburg hat in mehreren Urteilen entschieden, dass EU-Staatsangehörige Anspruch auf Studienförderung anderer EU-Staaten haben. Das aber verhindert die im deutschen BAföG vorgeschriebene Orientierungsphase.
Ein deutsches Verwaltungsgericht hat nun Zweifel, ob die im BAföG vorgegebene Orientierungsphase mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. In zwei BAföG-Streitigkeiten von deutschen Studenten, die das Studium unmittelbar im Ausland begonnen hatten, hat es dem Europäischen Gerichtshof diese Frage vorgelegt. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts hat das BAföG erkennbar zum Ziel, „Mittel der Ausbildungsförderung grundsätzlich nur für eine Inlandsausbildung bereit zu stellen“ und das sei mit dem Grundsatz der Freizügigkeit in der Europäischen Union nicht vereinbar. Für den Fall, dass der EuGH diese Ansicht teilt, dürfte die Orientierungsphase für deutsche Studenten obsolet sein. Dann könnte sich jeder deutsche Student unmittelbar an einer ausländischen Hochschule einschreiben.
Finanzielle Mehrbelastungen durch die Auslandsförderung ließen sich begrenzen, denn die Erstattung von Reisekosten, Studiengebühren und Krankenversicherung könnte man wegfallen lassen. Es bleibt allerdings der Problempunkt der „EU-rechtlichen Gleichstellungsansprüche“. Doch der Europäische Gerichtshof hält es für legitim, dass ein Staat eine „tatsächliche Verbindung zu der Gesellschaft“ fordert, die ihm Studienbeihilfen gewährt. Dafür könnte ein mindestens einjähriges Studium in Deutschland als Indiz gelten.
Abschließend folgender Hinweis. Studenten aus anderen EU-Staaten kommen nicht in den Genuss deutscher Ausbildungsförderung. Sie dürfen sich nur dann längere Zeit in Deutschland aufhalten, wenn sie über ausreichende Existenzmittel verfügen, einen umfassenden Krankenversicherungsschutz haben und keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen, wozu auch die Ausbildungsförderung nach dem BAföG gehört.