Nun ist es amtlich. Am 1. Januar 2012 startet die Familienpflegezeit. Der Bundestag hat heute das Familienpflegezeitgesetz verabschiedet. Intention ist, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Konkret sollen Arbeitnehmer bei der Pflege ihrer Angehörigen unterstützt werden.
Familienpflegezeitgesetz
Durch das neue Gesetz können Beschäftigte, die ihre Angehörigen pflegen, ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren auf maximal 15 Stunden reduzieren. Das Gehalt Während der abgesenkten Arbeitszeit wird das Gehalt hingegen lediglich prozentual gedeckelt. Das bedeutet, dass die ihre Angehörigen pflegenden Erwerbstätigen ihren Lohn zum Teil als Vorschuss erhalten. Dieser muss nach Beendigung der Familienpflegezeit durch ein weiterhin reduziertes Gehalt bei voller Arbeitszeit zurückgezahlt werden. Also: zunächst mehr Gehalt bei weniger Arbeit, dann weniger Gehalt bei mehr Arbeit.
Pflegezeit
Das kann man sich an folgendem Beispiel verdeutlichen: Eine Vollzeit beschäftigte Angestellte reduziert zur Pflege ihres alten Vaters ihre Arbeitszeit für zwei Jahre um die Hälfte, also um 50 Prozent. Sie bekommt trotzdem während der Familienpflegezeit, während der Pflegephase, weiterhin 75 Prozent ihres letzten Bruttoeinkommens. Nach Ende der Pflegezeit muss sie wieder in Vollzeit arbeiten, bekommt jedoch für die nächsten zwei Jahre weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts (Nachpflegephase). Nach den zwei Jahren sind das Zeit- und das Gehaltskonto wieder ausgeglichen.
Es ist auch möglich bereits vor der Pflegephase Zeit bzw. Gehalt für die Freistellung über ein Wertguthabenkonto anzusparen. Dieses Konto wird dann durch die Lohnfortzahlung während der Familienpflegezeit ausgeglichen.
Kein Rechtsanspruch
Das große Manko der neuen Familienpflegezeit ist der fehlende gesetzliche Anspruch auf die Familienpflegezeit. Das jetzt vom Bundestag verabschiedete Gesetz ist deshalb ein reines Fördergesetz mit lediglich empfehlendem Charakter. Der Arbeitnehmer, der in Pflegezeit gehen will, ist auf den guten Willen seines Arbeitgebers angewiesen. Für diesen ist die Pflegezeit mit Verwaltungsaufwand und damit Kosten verbunden.
Es wird an den Tarifvertragsparteien liegen, nähere Regelungen auszuhandeln. Ansonsten obliegt die Entscheidung über die Familienpflegezeit allein beim Arbeitgeber. Jedoch haben bereits viele größere Unternehmen angekündigt, die Familienpflegezeit zu ermöglichen.
Wie gehe ich in Familienpflegezeit?
Die Familienpflegezeit wird dadurch realisiert, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung, einen Vertrag, über die Familienpflegezeit abschließen. Möglich sind aber auch Betriebsvereinbarungen oder tarifliche bzw. tarifvertragliche Normierungen
Finanzierung
Der Arbeitgeber kann zur Finanzierung der Lohnvorauszahlungen während der Pflegezeit beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ein zinsloses Darlehen beantragen. Das Darlehen muss nach Abschluss der Familienpflegezeit an das Bundesamt zurückgezahlt werden. Für die Rückzahlung wird ein Teil des Lohnes des Arbeitnehmers einbehalten. Dieser erhält in der Nachpflegephase trotz voller Arbeitszeit nur ein reduziertes Gehalt, s.o. Nach einer anderen möglichen Varianten können die Arbeitnehmer schon vor der Pflegephase über ein Wertguthabenkonto Freistellungszeiten ansparen.
Versicherung
Hat ein Arbeitnehmer, der in Familienpflegezeit gehen will, noch keine Zeiten auf dem Wertguthabenkonto angespart, so ist er verpflichtet, für die Dauer der Familienpflegezeit (Pflege- und Nachpflegephase) eine Familienpflegezeit Versicherung abzuschließen. Dadurch soll der Arbeitgeber für den Fall abgesichert werden, dass der Beschäftigte wegen Berufsunfähigkeit, Wechsel des Arbeitsplatzes oder Tod die Gehaltsvorauszahlung nicht zurückzahlen kann. Die Familienpflegezeitversicherung kann bei jedem Versicherungsunternehmen abgeschlossen werden.
Hintergrund
In Deutschland gibt es 2,4 Millionen Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Bis zum Jahr 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen auf 3,4 Millionen ansteigen, so schätzt Statistische Bundesamt.
Der Großteil der Pflege ruht auf den Angehörigen. Etwa 1,6 Millionen Menschen werden zu Hause von Verwandten gepflegt. Dieser Anteil wird und muss in Zukunft zunehmen, ansonsten steht das Pflegesystem vor dem Kollaps.
Gegenwärtig können Arbeitnehmer bereits eine Pflegezeit nehmen und ihre berufliche Tätigkeit aussetzen. Aber sie erhalten keine Weiterzahlung des Gehalts.