Bürgergeld: Computer für Schüler ist Sonderbedarf

Mit Zauberei geht es nicht – deshalb ist für Schüler ein Computer ein Muss – auch wenn die Eltern Bürgergeld beziehen.

Das Sozialgericht Cottbus hatte vor einiger Zeit in einem Urteil  unter dem Az.  42 AS 1914/13 entschieden, dass die Kosten für einen einmalig anzuschaffenden internetfähigen PC für einen Schüler, dessen Eltern Bürgergeld Leistungen beziehen,  im Wert von 350 EUR im Rahmen der Bedarfe nach § 21 Abs. 6 SGB II (Bürgergeld Gesetz) im Rahmen eines Zuschusses vom Jobcenter zu übernehmen sind.
Das SG Cottbus begründet sein Urteil folgendermaßen:

Die Schulbildung sei ein andauernder langer Zeitraum, der PC deswegen eine längerfristige Bedarfslage und daher „ohne Zweifel“ ein laufender Bedarf. Der Preis sei  unabweisbar und das BVerfG habe  darauf hingewiesen, dass zusätzliche existenznotwendige Bedarfe neben dem Regelbedarf zu erbringen seien.

Computer für Schüler im Bürgergeld Bezug notwendig

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin und ihre Tochter beziehen seit Jahren Leistungen nach dem SGB II (Bürgergbeld). Die Tochter besucht ein Gymnasium und wir dort voraussichtlich in zwei Jahren das Abitur ablegen. Auf diesem Gymnasium werden die Hausaufgaben von der Schule ins Internet gestellt, die Schüler müssen sie herunterladen, erledigen und das Ergebnis wieder auf die Internetseiten der Schule hochladen. Zudem werden auch ganze Lehrgänge vollständig online angeboten; in diesem Fall wird der Computer für die gesamte Schulzeit benötigt.

Die Klägerin verfügt über einen PC, benötigt diesen jedoch für ihre eigene berufliche Tätigkeit und kann ihn ihrer Tochter deshalb nicht überlassen.

Die Urteilsbegründung

PC ist Mehrbedarf

Die Urteilsgründe des Sozialgerichts stellen auf eine verfassungskonforme Auslegung des § 21 Abs. 6 SGB II ab.

Nach dessen Satz 1 erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, sowie ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Unabweisbar ist der Hilfebedarf, so das Sozialgericht, wenn er nicht durch Dritte oder durch Einsparungen finanziert werden kann.

Das Sozialgericht stellt folgendes klar: Das Bundesverfassungsgericht hat schon darauf hingewiesen, dass mit dem Regelsatz nicht alle Bedarfslagen erfasst sind. Ein internetfähiger Computer ist deshalb nach Auffassung des Sozialgerichts ein Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 S. 1 SGB II. Der Bedarf für den PC ist unabweisbar, weil er nicht durch Zuwendungen Dritter oder Einsparmöglichkeiten aus dem Regelbedarf gedeckt werden kann.

Unterscheidung vom persönlichen Schulbedarf

Ein Computer im Wert von 350 Euro fällt nicht unter einen durchschnittlichen persönlichen Schulbedarf, der nach § 28 Abs. 3 SGB II bei Schülern als Teil der Leistungen für Bildung und Teilhabe berücksichtigt wird. Hierunter fallen hauptsächlich zum Verbrauch bestimmte Schreib-, Rechen und Zeichenmaterialien wie Füller, Taschenrechner, Hefte und Mappen. Von diesem durchschnittlichen Bedarf für Schreibmaterialien weichen die Kosten für die Anschaffung eines Computer so erheblich ab, das auch durch Einsparungen in vorangegangenen und nachfolgenden Zeiträumen der Schulbedarf nicht ausgeglichen werden kann.

Extentieller Bedarf von Kindern

Bereits das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. 2. 2010 unter den Az 1 BvL 1/09, 1 Bvl 3/09 und 1 BvL 4/09 darauf hingewiesen, so das Sozialgericht, dass notwendige Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten zum existentiellen Bedarf von Kindern gehören.  Ohne die Deckeung dieser Kosten droht bei hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen. Die Kinder können ohne den Erwerb der notwendigen Schulmaterialien die Schule nicht erfolgreich besuchen können.

Unabweisbarer Bedarf

Wenn ein Kind wie hier die Tochter der Klägerin aufgrund besonders guter schulischer Leistungen  die Chance hat, an einem Gymnasium einen Schulabschluss zu machen, dass die besonderen Potentiale der Kinder entsprechend fördern kann, besteht für die an dieser Shcule geforderten Lernmittel ein unabweisbarer Bedarf.

Wortlaut des § 21 Abs. 6 SGB II weit auszulegen

Auch wenn der Wortlaut des § 21 Abs. 6 SGB II auf einen laufenden, nicht auf einen nur einmaligen Bedarf abstellt, so steht dies nach Ansicht des Sozialgerichts dem Anspruch nicht entgegen. Die Vorschrift des § 21 Abs. 6 SGB II  war eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, eine gesetzliche Regelung in das SGB II aufzunehmen, die sicherstellt, dass besondere Bedarfe gedeckt werden. Und zwar solche Bedarfe gedeckt werden, die zwar von ihrer Art nach von der Regelleistung des § 20 SGB II erfasst werden, aufgrund einer Sondersietuation aber eine höhere als die pauschalierte Leistung erfordern. Auch atypische Bedarfe, die wender durch die Regelleistung noch die zusätzlich gesetzlich vorgeshenen Hilfen erfallst sind, sollten unter diese Regelung fallen. Nach Ansicht des Sozialgerichts kann die Vorschrift des § 21 Abs. 6 SGB II deshalb nur so verstanden werden, dass ein laufender, nicht nur einmaliger Bedarf nur dann vorliegt, wenn die Bedarfslage eine einmalige ist.

Bei einem Computer, der für die Schulausbildung über einen längeren Zeitraum benötigt wird, ist dies nicht der Fall.

Eine solche Situation steht aber einer Bedarfslage, in der laufende Kosten anfallen gleich, auch wenn die Deckung der längerfristigen Bedarfslage einmalig erfolgt.

Das Sozialgericht stellt darauf an, dass es keinen Unterschied machen kann, ob ein Kauf oder eine Miete eines Computers erfolgt. Bei letztere wäre die monatliche Miete ohne jeden Zeifel ein laufender Bedarf.

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