Neben dem allgemeinen Regelsatz besteht für Bezieher von Bürgergeld ein Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, soweit diese krankheitsbedingt und ärztlich bestätigt ist. Die Höhe des Anspruchs auf Ernährungs-Mehrbedarf variiert je nach tatsächlichen Kosten. Bei einigen Erkrankungen zahlt das Jobcenter auch einen bestimmten Prozentsatz vom Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 (2023: 502 Euro).
Der Mehrbedarf für krankheitsbedingte kostenaufwändige Ernährung gleicht die Kosten für teure Lebensmittel aus, die anstelle der vom Arzt verbotenen Nahrungsmittel aufgrund der i.d.R. chronischen Erkrankung gekauft werden müssen. Größtenteils handelt es sich um gravierende Erkrankungen mit schweren körperlichen Auswirkungen.
Das Wichtigste zum Mehrbedarf für Ernährung vorab zusammengefasst
Was ist kostenaufwändige Ernährung?
Es gibt chronische Erkrankungen, deren Behandlung eine Umstellung der Ernährung notwendig macht. Zu nennen ist etwa die Zöliakie (Glutenunverträglichkeit). Die neue, bestimmte Nahrungsmittel vermeidende bzw. ersetzende Ernährung verursacht erhebliche Mehrkosten gegenüber der normalen Vollkost. Bürgergeld Bezieher haben deshalb einen – je nach Art der Erkrankung unterschiedlich hohen – Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Nicht mit jeder chronischen Erkrankung ist ein Anspruch auf Ernährungsmehrbedarf verbunden.
Wie hoch ist der Mehrbedarf für Ernährung?
Die Höhe des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung ist abhängig von der zugrundeliegenden Erkrankung. Das Jobcenter und die Gerichte orientieren sich bei der Auslegung des Rechtsbegriffs an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge. Abhängig von der Art der Erkrankung bekommen Patienten zwischen 5% und 30% des Regelsatzes zusätzlich vom Jobcenter, um den Mehrbedarf durch die kostenintensive Ernährung zu decken.
Wird Mehrbedarf für aufwändige Ernährung auch rückwirkend gezahlt?
Ja, der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung kann rückwirkend vom Jobcenter bewilligt werden, wenn der Beginn der Erkrankung in der Vergangenheit liegt und dieser Zeitpunkt durch ein ärztliches Attest bescheinigt wird. Diese muss auch die genaue Angabe der Krankheit, der entsprechend notwendigen Ernährung und der damit verbundenen Mehrkosten enthalten.
Wann Anspruch auf den Mehrbedarf Ernährung?
Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Mehrbedarf für Ernährung?
Ernährungsumstellung muss medizinisch erforderlich sein
Ein Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung besteht in dem Fall, dass aufgrund einer Erkrankung oder drohenden Erkrankung eine Umstellung der Ernährung medizinisch notwendig ist, um eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes zu vermeiden. Die Erkrankung muss also die Ursache für Notwendigkeit der nunmehr kostenintensiven Ernährung.
Nachweis durch ärztliches Attest
Die medizinische Notwendigkeit muss ärztlich festgestellt und die spezielle Ernährungsform muss ärztlich verordnet sein. Dies muss durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werden.
In der ärztlichen Bescheinigung (Attest) muss folgendes enthalten sein:
– genaue Bezeichnung der Erkrankung
– die Notwendigkeit aufgrund der Erkrankung bestimmte Nahrungsmittel zu verwenden
– Angabe der notwendigen Nahrungsmittel
– zeitlicher Beginn der Erkrankung und der der damit verbundenen notwendigen Nahrungsumstellung
Beispiel für eine ärztlich bescheinigte Ernährungsumstellung liegt bei der Diagnose Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit) vor. Bei Zöliakie produziert das Immunsystem Antikörper, die das Gluten im Dünndarm angreifen. Sie verursachen eine chronische Entzündung, die die empfindlichen Zellen der Darmschleimhaut und die Darmzotten zerstört. Aus diesem Grund muss sich der Patient sofort glutenfrei ernähren, da ansonsten ernsthaften gesundheitlichen Problemen entstehen. Eine glutenfreie Ernährung ist kostenaufwändig und teuer als eine normale Ernährung. Somit besteht ein Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gegenüber dem Jobcenter.
Bei welchen Erkrankungen besteht Anspruch auf Mehrbedarf für Ernährung?
Es gibt keine gesetzliche Regelung zu den Erkrankungen, die einen Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung begründen. Auch welche Kosten für welche Erkrankung vom Jobcenter zu zahlen sind, steht nicht im Bürgergeld Gesetz.
Kostenaufwändige Ernährung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Gerichte und die Behörden orientieren sich diesbezüglich an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge. Der Verein ermittelt in bestimmten zeitlichen Abständen, welche Mehrbedarfe bei welchen chronischen Krankheiten angemessen sind.
Manche Jobcenter legen bei dieser Frage auch den Begutachtungsleitfaden der Ärzte des öffentlichen Gesundheitswesens Westfalen-Lippe zugrunde.
Die Ermittlungen und Vorgaben des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge sind Empfehlungen, sind kein Gesetz. Die dort festgestellten Bedarfe knüpfen an den Bürgergeld Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 an. Diese beträgt im Jahr 2023 502 Euro pro Monat.
Wie den Mehrbedarf für Ernährung beantragen?
Um den Mehrbedarf für Ernährung beanspruchen zu können, ist ein Antrag beim Jobcenter erforderlich.
Man benutzt des Formular Anlage zur Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung (zu Abschnitt 3 des Hauptantrags) kurz Anlage MEB, füllt es aus und übermittelt es gemeinsam mit der ärztlichen Bescheinigung an das Jobcenter.
Das Formular gibt es hier als pdf-Vorlage zum Download: Anlage MEB
Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge hinsichtlich Mehrbedarf Ernährung
Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge hat den jeweiligen Mehrbedarf, also die Mehrkosten, für bestimmte Erkrankungen ermittelt und als Prozentsatz des Bürgergeld-Regelsatzes dargestellt.
Tabelle Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung
Art der Erkrankung | Notwendige Ernährung | Prozent vom Regelsatz | Monatliche Geldsumme |
Zöliakie/ Sprue (Durchfallerkrankung aufgrund Überempfindlichkeit gegenüber Gluten) | Glutenfreie Kost | 20 % | 100,40 Euro |
Mukoviszidose | Fettreiche und hochkalorische Diät | 30 % | 150,60 Euro |
Terminale Niereninsuffizienz mit Dialysetherapie | Kalium- und phosphatarme Kost, erhöhter Eiweißbedarf | 5 % | 25,10 Euro |
Schluckstörungen | Mittel zur Andickung | tatsächliche Aufwendungen | |
Krebserkrankung | 10 % | 52 Euro | |
HIV-Infektion / AIDS | 10 % | 52 Euro | |
Multiple Sklerose, degenerative Erkrankung des Zentralnervensystems | 10 % | 52 Euro | |
Colitis ulcerosa (Geschwüre in der Dickdarmschleimhaut) | 10 % | 52 Euro | |
Morbus Crohn (Erkrankung des Magen-Darmtrakts mit Bildung von Fisteln und Verengungen) | 10 % | 52 Euro |
Ernährungsmehrbedarf umstritten bei Laktoseintoleranz – Milchzuckerunverträglichkeit
Laktoseintoleranz, also Milchzuckerunverträglichkeit, ist zwar eine chronische Erkrankung. Allerdings ist umstritten, ob eine laktosefreie Ernährung eine kostenaufwändige Ernährung mit einem Anspruch auf Ernährungsmehrbedarf darstellt. Es gibt sich widersprechende Gerichtsentscheidungen.
Das Sozialgericht Dresden hat unter dem Az S 38 AS 5649/09 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 31 Euro anerkannt, das Sozialgericht Berlin unter dem Az S 37 AS 13126/12 einen Ernährungsmehrbedarf von nur 13 Euro.
Das Sozialgericht Aachen hingegen hat unter dem Az S 20 SO 52/11 einen Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei Laktoseintoleranz abgelehnt. In die gleiche Richtung geht eine Entscheidung des Landessozialgericht Rheinland-Pfalz unter dem Az.: L 6 AS 403/14.
Krankheiten, die keinen Mehrbedarf Ernährung begründen
Viele Krankheiten begründen keinen Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Bei diesen Erkrankungen ist Vollkost angezeigt und diese kann mit dem Geld des Bürgergeld Regelsatzes bezahlt werden. Krankheiten ohne Anspruch auf Ernährungsmehrbedarf sind beispielsweise die folgenden:
- Gicht (Erkrankung durch Harnsäureablagerung)
- Hypertonie (Bluthochdruck)
- Ulcus ventriculi (Magengeschwür)
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit – Typ II und Typ I)
- Dyslipoproteinamien (Fettstoffwechselstörungen)
- Endometriose (Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut)
- Fructosemalabsorption (Aufnahmestörung des Organismus für Fructose, d.h. Fruchtzucker)
- Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette)
- Hyperurikämie (Erhöhung der Harnsäure im Blut)
- Leberinsuffizienz (Leberversagen)
- Kardiale oder renale Ödeme (Wasseransammlung bei Herz- oder Nierenkrankheiten)
- Neurodermitis (Überempfindlichkeit von Haut und Schleimhäuten auf genetischer Basis)
- Ulcus duodeni (Zwölffingerdarmgeschwür)
Kein Anspruch auf Mehrbedarf bei Ernährung mit Bio-Produkten
Ein Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung kann nicht aus der Ernährung mit biologisch erzeugten Lebensmitteln, sogenannten Bio-Nahrungsmitteln oder Bio-Produkten, hergeleitet werden. Dies hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschieden, Az. L 18 AS 626/17.
Themen im Zusammenhang mit dem Ernährungsmehrbedarf
- Mehrbedarf für Schwangere
- Mehrbedarf für Alleinerziehende
- Mehrbedarf für Warmwasser
- Mehrbedarf Behinderung