
Einnahmen, die aus einem laufenden Anspruch entstanden sind, und nachgezahlt werden, müssen wie laufendes Einkommen auf das Bürgergeld angerechnet werden, selbst dann, wenn sie in einer Summe nachgezahlt werden. Das folgt aus einem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG v. 24.04.2015 – B 4 AS 32/14 R).
Der Fall: Nachzahlung von Gehalt im Bürgergeld Bezug
Konkret ging es um die die teilweise Aufhebung und Erstattung von Bürgergeld Leistungen (seinerzeit Arbeitslosengeld II) wegen der Nachzahlung von Arbeitsentgeltanteilen. Der Kläger stand bis einschließlich April in einem Beschäftigungsverhältnis. Im Anschluss daran bewilligte das Jobcenter Bürgergeld Leistungen für die Zeit von Mai bis August. Am 31. Mai erhielt der Kläger wegen zu Unrecht einbehaltener Beiträge zur Arbeitslosenversicherung eine Nachzahlung seines letzten Arbeitgebers in Höhe von gut 300 Euro. Diese Nachzahlung wurde dem Jobcenter im Oktober bekannt. Dieses hob die Bewilligung derBürgergeld Leistung für Mai teilweise auf und machte einen Erstattungsanspruch geltend.
Jobcenter sagt: einmalige Einnahme
Die Jobcenter rechneten die Nachzahlung bisher als einmalige Einnahme an. War sie höher als der laufende Leistungsanspruch, wurde sie entsprechend der Regeln für einmalige Einnahmen ab dem Monat, der auf den Zufluss folgt, auf sechs Monate in gleichen Anteilen zu verteilen (§ 11 Abs. 3 S. 3 SGB II).
Das Jobcenter argumentierte im vorliegende Fall wie folgt:
Bei der Nachzahlung aus Mai handele es sich um eine einmalige Einnahme, da das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits im April beendet worden sei. § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II, wonach einmalige Einnahmen im Folgemonat berücksichtigt werden, wenn bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht wurden, sei nach seinem Sinn und Zweck nicht anzuwenden. Die Regelung greife nur, wenn die Leistungen für den Folgemonat noch nicht gewährt und ausbezahlt worden seien. Ansonsten müsse ohnehin eine Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung getroffen werden. Die Verschiebung der Anrechnung einer Leistung in den Monat nach dem Zufluss mache dann keinen Sinn mehr.
Bundessozialgericht sagt: laufende Einnahme
Der Kläger rügte vor dem BSG eine Verletzung von § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II. Der Auslegung durch das Jobcenter stünde der eindeutige Wortlaut der Norm und die Gesetzesbegründung entgegen.
Das Bundessozialgericht wies die Klage zwar zurück, da im Ergebnis die teilweise Aufhebung von Leistungen und den Erstattungsanspruch für den Monat Mai korrekt gewesen wären.
Dennoch ist das Urteil des BSG für viele Hartz 4 Bezieher als Erfolg zu verbuchen. Das folgt aus der Begründung:
Die dem Kläger am 31. Mai zugeflossene Nachzahlung sei – entgegen der Auffassung des Jobcenters und der Vorinstanzen – nicht als einmalige, sondern als laufende Einnahme zu beurteilen und schon deshalb im Monat Mai als Einkommen anzurechnen. Ihre Berücksichtigung erst im Folgemonat auf der Grundlage von § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II, der sich auf einmalige Einnahmen beziehe, käme deshalb von vornherein nicht in Betracht.
Das Bundessozialgericht stellt klar:
Laufende Einnahmen
Laufende Einnahmen sind solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig zu erbringen sind oder zu erbringen wären.
Einmalige Einnahmen
Bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung.
Unterscheidung wie folgt:
Wenn Einnahmen aus ihrem Rechtsgrund heraus regelmäßig zu erbringen sind, ändert sich ihr Charakter als laufende Einnahme nicht dadurch, dass sie aus welchen Gründen auch immer dem Berechtigten zeitweise ganz oder teilweise vorenthalten und erst später in einem Betrag nachgezahlt werden. Ohne Bedeutung ist es für die Abgrenzung auch, ob das Rechtsverhältnis, auf dem die Zahlung beruht, zum Zeitpunkt der Zahlung noch bestanden hat oder schon beendet war. Denn auch dies ändert den Charakter der Zahlung als eine auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhende und an sich regelmäßig zu erbringende Einnahme nicht.
Folgen aus dem Urteil des BSG
Die einmalige Nachzahlung aus laufenden Einnahmen in einer laufenden Bürgergeld – Anspruchsperiode ist im Zuflussmonat anzurechnen, nicht verbrauchte Gelder werden im nächsten Monat zu Vermögen.
Die Jobcenter rechneten die Nachzahlung bisher als einmalige Einnahme an. War sie höher als der laufende Leistungsanspruch, wurde sie entsprechend der Regeln für einmalige Einnahmen ab dem Monat, der auf den Zufluss folgt, auf sechs Monate in gleichen Anteilen zu verteilen . Diese Praxis ist unzulässig.
Anmerkung: § 11 Abs. 3 SGB II ist nunmehr im Rahmen des Bürgergeld – Gesetzes neu gefasst worden.
Ähnliche Geschichte: Meine Tochter hatte Bürgergeld i.H.v. 800 Euro bewilligt bekommen. Dies wurde zurückgezogen, weil der Lebenspartner und Vater des gemeinsamen Kindes eine Bafög-Nachzahlung i.h. 5000 Euro erhielt. Ist das also nicht rechtens?
Liebe Leuts,
ja, genau dies, sowie die nicht vorhandene und sich damit grunsätzlich widersprechende Kommunikation von BA und JC beim Übergang von ALG-I zu ALG-II bzw. Hartz-IV zum Bürgergeld, hat mich in einer Situation hinterlassen, die z.B. für Alleinerziehende direkt existenzzerstörend wirken würde. Endgültig.
Glück gehabt! (hier Galgenhumor einfügen)
Nach Beantragung von ALG-I ab Juli 2022 erfolgte, nach positiven Bescheid zu zwei von drei Widersprüchen, im Dezember 2022 eine Nachzahlung in Höhe von ca. 6000 Euro. Mittlerweile war ich in echte Not geraten, hatte daraufhin beim JC ALG-II wegen u.a. z.B. der notwendigen Mietzahlungen beantragt. Recht zeitig, rechtzeitig Ende November 2022, da mir die Bearbeitungszeiten von 6..8 Wochen wohl bekannt waren und ich im Januar 2023 mit Wohnungskündigung etc.pp. zu rechnen hatte. Von der BA, als auch vom JC wurde mir die Abstimmung zwischen beiden zugesichert, ich wies daraufhin, dass ich erst ab 1.1.2023 Hilfe benötige und drei Widersprüche gegen Bescheide der BA zu diesem Zeitpunkt anhängig waren. Mit einer Nachzahlung also zu rechnen sei, eventuell.
Das JC hat als Leistungsbeginn willkürlich den 1.11.2022 festgelegt und damit die Nachzahlung im Dezember dann als einmalige Einnahme (ca. 6000 Euro!) gegen die ALG-II-Leistung für die Monate Dezember 2022 … Mai 2023 gegengerechnet. In diesen Monaten habe ich 17,70 bzw. 70,70 Euro ALG-II deshalb erhalten.
Ich konnte also meine Miete etc.pp. wieder für Dezember 2023..Mai 2023 nicht bestreiten. Dazu musste ich einen Antrag auf ein Darlehen des JC stellen, der mir für die nächsten 60 Monate á 100 Euro angerechnet werden wird. Da ich mir dankenswerter Weise für Juli 2022..Dezember 2022 privat 400 Euro für die Miete leihen konnte, habe ich die Zeit überstanden.
Aber: nun sitze ich mit insgesamt 10.000 Euro Schulden, privat und beim JC und gemindertem Existenzminimum (um 100Euro je Monat) hier.
Idiotisch daran ist: Falls ich eine neue Stelle fände würde das Darlehen des JC sofort in voller Höhe fällig.
JFYI: Ausgangspunkt der ganzen doch recht blöden Geschichte war im Übrigen, dass ich nach langerlanger Arbeitslosigkeit eine Stelle gefunden hatte und aus Freundlichkeit den AG daraufhinwie, dass er sich diese Lohnkosten (1 Jahr 75% + ein Jahr 50%) von der BA fördern lassen könnte.
Das ich dafür keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erlange, hat mir weder die BA, noch die mich damals 2019 betreuende Coach*in der BA mitgeteilt. So nahm das Unheil seinen Lauf.
Insofern sehe ich mich direkt als inversen Sozialschmarotzer, dem ehemaligen AG geht es weiterhin gut.