Es kann vorkommen, dass ein Bürgergeld-Empfänger nach der Bewilligung plötzlich ohne finanzielle Unterstützung dasteht, weil er vergessen hat, einen Folgeantrag zu stellen. Diese Situation ist besonders ärgerlich, wenn der Fehler erst im Folgemonat bemerkt wird. Doch gibt es eine Möglichkeit, das Geld rückwirkend zu beantragen und somit auf die finanzielle Unterstützung nicht verzichten zu müssen? In unserem Artikel beleuchten wir die Thematik und erklären, wie der sozialrechtliche Herstellungsanspruch sowie die Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Jobcenter hier eine Rolle spielen. Wir zeigen auf, welche Schritte notwendig sind, um das Bürgergeld auch weiterhin zu erhalten.
Grundsätzlich hat Bürgergeld Antrag keine Rückwirkung
Prinzipiell ist es zu beachten, dass ein Bürgergeld Antrag nicht rückwirkend wirkt oder nur sehr beschränkt. Eine retroaktive Wirkung erstreckt sich lediglich bis zum ersten Tag des Monats, in dem der Antrag gestellt wurde, auch bei einem Folgeantrag. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Wenn jemand am 20. Juli einen Antrag auf Bürgergeld stellt, erhält er/sie Leistungen erst ab dem 1. Juli, auch wenn er/sie bereits für den Vormonat Juni Leistungen beantragt hatte. Allerdings gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz.
Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bei Verletzung von Aufklärungspflicht durch Jobcenter
Es gibt eine Ausnahme, bei der ein Bürgergeld-Bezieher trotz fehlendem Folgeantrag einen Anspruch auf Leistungen haben kann – nämlich durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Dieser setzt jedoch voraus, dass das Jobcenter eine Aufklärungspflicht verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann vorliegen, wenn das Jobcenter es versäumt hat, den Bürgergeld-Bezieher rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass ein neuer Antrag gestellt werden muss, bevor der vorherige Bewilligungszeitraum endet. Aufgrund dieses Versäumnisses kann der Bürgergeld-Bezieher den Herstellungsanspruch geltend machen und somit doch noch Leistungen erhalten.
Im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses und unter besonderen Umständen kann das Jobcenter, auch als Leistungsträger bezeichnet, verpflichtet sein, den Empfänger umfassend zu informieren. Diese Verpflichtung wird auch als Hinweispflicht oder Aufklärungspflicht bezeichnet. Gemäß § 16 SGB I müssen Leistungsträger sicherstellen, dass klare und sachdienliche Anfragen unverzüglich beantwortet und unvollständige Informationen ergänzt werden. Der Amtsermittlungsgrundsatz besagt, dass der Leistungsträger selbst verpflichtet ist, alle relevanten Unterlagen und Informationen zu sammeln, um eine fundierte Entscheidung über die Leistungsbewilligung treffen zu können.
Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch: Urteil des Bundessozialgerichts
Das Bundessozialgericht hat am 18. Januar 2011 unter dem Aktenzeichen B 4 AS 29/10R ein Urteil zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gefällt. Bereits damals hat das höchste deutsche Sozialgericht entschieden, dass das Jobcenter seine Pflicht verletzt, wenn es nicht auf die Notwendigkeit eines Folgeantrags für den dritten Bewilligungsabschnitt hinweist. Der Leitsatz des BSG-Urteils vom 18. Januar 2011, B 4 AS 29/10 R, besagt, dass das Jobcenter seine Aufklärungspflicht verletzt, wenn es nach Ablauf des ersten Bewilligungszeitraums Alg II (heute Bürgergeld) ohne einen Fortzahlungsantrag weiterhin Leistungen gewährt und für den dritten Bewilligungsabschnitt nicht auf die Notwendigkeit eines Folgeantrags hinweist.
Das Urteil des Bundessozialgerichts besagt, dass das Jobcenter in diesem Fall seine Pflicht verletzt hat, da es versäumt hat, den Kläger darüber zu informieren, dass ein Antrag auf Fortzahlung von Bürgergeld (damals noch Arbeitslosengeld II genannt) notwendig ist, wenn der letzte Bewilligungszeitraum endet. Diese Information hätte rechtzeitig gegeben werden müssen.
Im konkreten Fall des Hilfebedürftigen hat das Jobcenter nicht nur um eine rechtzeitige Antragstellung gebeten, sondern es besteht eine Verpflichtung aus dem Sozialrechtsverhältnis zwischen beiden Parteien. Diese Verpflichtung ist auch in den Fachlichen Hinweisen der BA unter Ziffer 37.11a festgehalten. Demnach muss das Jobcenter den Leistungsempfänger darauf hinweisen, dass eine Fortzahlung der Leistungen nur durch eine Antragstellung möglich ist und dass nur der Antrag die Leistungsgewährung auslöst. Eine solche Hinweispflicht entfällt nur dann, wenn das Antragserfordernis offensichtlich ist.
Das Bundessozialgericht führt an, dass die §§ 14 und 15 SGB II als Rechtsgrundlage für die Hinweispflicht des Sozialleistungsträgers gelten. Eine umfassende Beratungspflicht besteht üblicherweise dann, wenn der Leistungsberechtigte eine Beratung oder Auskunft anfordert. In Ausnahmefällen ist der Leistungsträger jedoch auch dann zur Hinweis- und Beratungspflicht verpflichtet, wenn ihm bei der konkreten Sachbearbeitung eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit auffällt, die ein vernünftiger Leistungsberechtigter nutzen würde, sofern ihm diese bekannt wäre. Die Beurteilung, ob eine solche Gestaltungsmöglichkeit offensichtlich ist, erfolgt ausschließlich anhand objektiver Kriterien.